Aspekte der Kollaboration Umgebungsparameter Überblick über die wichtigsten Umgebungsparameter

Anforderungen erheben  

Informationsfluss

Informationsfluss und Mitwirkende beim Prozess ‚Anforderungen erheben'

Informationen fließen in diesen Prozess sowohl von Seiten der Anwender als auch von Seiten der Analysten, als Repräsentanten derjenigen Projektmitarbeiter, die nicht Anwender sind. Die Analysten stellen für diesen Prozess Methodenwissen zur Verfügung. Dieses Wissen ist standardmäßig in der Organisation verfügbar und wird von den Analysten in diesem Prozess lediglich in Form einer Schulung aufbereitet, damit durch den Einsatz der Methoden der eigentliche Informationsfluss in dem Prozess unterstützt werden kann. Diese Aufgabe fällt unter die Schaffung von Rahmenbedingungen. Die Analysten werden daher nicht als Informationsquelle bezeichnet. Die Informationsquelle für die Informationen, die benötigt werden, um den Anforderungskatalog zu erstellen, sind die Anwender. Hierbei handelt es sich um das Fachwissen über Geschäftsprozesse und implizite Abläufe in der Organisation, die in dem System abgebildet beziehungsweise berücksichtigt werden müssen. Eine weitere, optionale Informationsquelle ist der Änderungsantrag. Hierbei handelt es sich um ein im Prozess Änderungsantrag erstellen erzeugtes Dokument, das einer Detaillierung bedarf, da die enthaltenen Angaben unvollständig sind und daher eine Bewertung des Änderungsantrags nicht möglich ist. Informationsempfänger sind die Folgeprozesse, die die Information in Form des erstellten Anforderungskatalogs beziehungsweise in Form des formulierten Änderungsantrags zur Verfügung gestellt bekommen.

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Aspekte der Kollaboration

Kollaboration im Prozess der Anforderungserhebung findet zwischen den Anwendern und den Analysten statt. Je weiter die Prozessteilnehmer in ihrer Organisationszugehörigkeit und in ihrem individuellen Kontext voneinander entfernt sind, desto häufiger ist in den Kollaborationsprozessen mit dem Auftreten von Verständnisproblemen zu rechnen. In den Prozessbeschreibungen im V-Modell XT und im RUP wird das Problem der impliziten Annahmen erwähnt. Hierbei handelt es sich um Annahmen sowohl bei den Anwendern als auch bei den Projektmitarbeitern, die als selbstverständlich angesehen werden und daher im Prozess der Anforderungserhebung nicht angesprochen oder erwähnt werden. Es ist den Kollaborationspartnern dabei nicht bewusst, dass der jeweilige Partner über die ausgelassene Information nicht verfügen kann, beziehungsweise dass es sich überhaupt um Information handelt. Diese impliziten Annahmen können zu Missverständnissen führen und die Kommunikation stark erschweren, da jeder Kommunikationsteilnehmer nur von den Informationen ausgehen kann, über die er verfügt. Nicht nur implizite Annahmen sondern auch unterschiedliches Fachvokabular, unterschiedliche Sichten auf Sachverhalte und unterschiedliche Geschäftsprozesse oder Verständnis von Geschäftsprozessen können zu Schwierigkeiten in der Kommunikation führen. Verständnis für die organisatorische und fachliche Umgebung des jeweils anderen Kommunikationspartners kann das Auftreten von Missverständnissen reduzieren.

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Umgebungsparameter des Prozesses

Im folgenden wird im Detail auf die Bedeutung der einzelnen Umgebungsparameter für das Gelingen der Kollaboration im Prozess eingegangen.
Klicken Sie auf den Begriff, um zu der Beschreibung zu gelangen:

Partnerherkunft
Kollaborationspunkte
Kollaborationsstruktur
Zeitaspekt der Kooperation
Ziele
Bindungsintensität
Raum-Zeit Aspekt der Kommunikation
Informationsverarbeitungsprozess
Koordinationsinstrumente
Kompetenzen und Befugnisse
Rahmenbedingungen
Informations- und Kommunikationssystem
Organisationskultur
Organisationsstruktur
Kontext der Gruppe
Individueller Kontext

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Die Partnerherkunft ist aus folgenden zwei Aspekten relevant.

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Die Prozesse der Anwenderschnittstelle zeichnen sich dadurch aus, dass Anwender und die weiteren Projektmitarbeiter miteinander beziehungsweise füreinander arbeiten müssen. Die grundsätzlichen Probleme, wie sie in zum Umgebungsparameter Kollaborationspunkte beschrieben wurden, können daher in jedem der Prozesse der Anwenderschnittstelle auftreten. Die unterschiedliche Zugehörigkeit der Kollaborationspartner zu den Gruppen der Anwender und der weiteren Projektmitarbeiter wirkt sich auf diesen Prozess jedoch besonders stark aus, da hier die gemeinsame Basis der Softwareentwicklung erarbeitet werden muss. Die Kollaborationspartner müssen lernen sich zu verstehen und miteinander zu arbeiten.

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Die Kollaborationsstruktur im Prozess entspricht in größeren Projekten in der Regel einem komplexen Netzwerk. Eine der Aufgaben des Prozesses ist es, die Kollaborationsstruktur selbst zu analysieren, um in Erfahrung zu bringen, wer über welche Information verfügt und wer bereit und dazu fähig ist, dieses Wissen an das Projekt weiterzugeben beziehungsweise wie das Wissen bei den Anwendern erhoben werden kann. In den Dokumenten dieses Prozesses wird die Kollaborationsstruktur in der Gruppe der Anwender in Teilen dokumentiert und ist diesbezüglich eine wertvolle Informationsquelle für die weiteren Prozesse. Für den Prozessverlauf selbst ist das Wissen über die Kollaborationsstrukturen eher noch von geringerer Relevanz, da im Prozess erst gezielt danach gesucht werden kann und muss. Die Bedeutung wächst, wenn zur Erstellung von Bewertungen, dem Treffen von Entscheidungen oder dem Anstoß von Aktivitäten diese Kenntnisse hilfreich oder notwendig sind.

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Von einer regelmäßigen oder dauerhaften Kooperation zwischen Kooperationspartnern in der Softwareentwicklung sind in erster Linie diejenigen Mitarbeiter betroffen, die zu der Gruppe der weiteren Projektmitarbeiter zu zählen sind. Da sich die Projekte in der Regel im fachlichen Inhalt unterscheiden, müssen jeweils unterschiedliche Anwender zu den Projekten hinzugezogen werden. Am Prozess der ‚Anforderungen erheben' ist eine Vielzahl von Anwendern häufig in einem nur sehr kurzen Zeitraum beteiligt, in dem sie dem Projekt Wissen aus ihrem Fachgebiet zur detaillierten Definition der Anforderungen zur Verfügung stellen, so dass für diese Situation die Dauer der Kooperation von geringerer Bedeutung ist. Die Dauer der Kooperation gewinnt an Bedeutung, wenn im weiteren Projektverlauf diejenigen Prozesse betrachtet werden, in denen die Anwender als Projektmitarbeiter die Systementwicklung begleiten und somit über längere Zeit in das Projektteam eingebunden werden, wie beispielsweise im Rahmen der Qualitätssicherung oder als permanenter Ansprechpartner für fachliche Fragen.

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Um die Anforderungen für das System gezielt erheben zu können, ist sowohl Kenntnis über die strategischen als auch die operativen Ziele des Projektes notwendig. Umfassendes Wissen über und im Idealfall Übereinstimmung hinsichtlich der Ziele bei allen Prozessbeteiligten ist somit unbedingte Voraussetzung für das Gelingen des Prozesses.

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Der ‚Grad der Intensität' als Dimension des Umgebungsparameters Bindungsintensität repräsentiert eine Grundeinstellung der Kollaboration. Diese kann von der Organisationskultur, von grundsätzlichen Vereinbarungen zwischen den Kooperationspartnern aber auch von der Bedeutung des zu entwickelnden Systems und dem möglichen Risiko, das von dem System ausgeht, abhängen. Diese Dimension hat Einfluss auf die anwendbaren Methoden und Techniken. Soweit nichts anderes festgehalten wird, ist in den jeweiligen Prozessen der Anwenderschnittstelle jede Ausprägung der Dimension ‚Grad der Intensität' denkbar.
Die Standardtechniken, die sich im Einsatz in der Zusammenarbeit mit Anwendern zur ‚Erhebung von Anforderungen' bewährt haben, sehen in der Regel ein gemeinschaftliches Vorgehen vor. Die Aufgabe erfordert einen häufigen Informationsaustausch, wobei die Informationstiefe sehr hoch ist. Die Umgebung für diese Qualität des Informationsaustauschs muss geschaffen werden.

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Viele der zur Unterstützung des Prozesses zur Auswahl stehenden Techniken setzen sowohl räumliche als auch zeitliche Nähe voraus. Dies ist vor allem deshalb vorteilhaft, um durch diese Nähe Schwierigkeiten, die aus der unterschiedlichen Herkunft der Partner und ihrer individuellen Kontexte resultieren, ausgleichen zu können. Räumliche und zeitliche Entfernungen können dann überbrückt werden, wenn geeignete Werkzeuge zur Unterstützung zur Verfügung stehen.

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Der Umgebungsparameter Kompetenzen und Befugnisse dient dem Abgleich der aus der Aufgabe resultierenden notwendigen Entscheidungskompetenzen und Weisungsbefugnissen mit den tatsächlich eingeräumten Rechten. Der Prozess ist in hohem Maße von der Kooperationsbereitschaft insbesondere derjenigen Anwender abhängig, die nicht Projektmitglieder sind. Daher kann dieser Prozess nicht durch die Vergabe von Weisungsbefugnissen gefördert werden. Auch Entscheidungen, die entweder im Projekt selbst durchgesetzt oder in der Organisationseinheit außerhalb des Projektes vertreten werden müssten, sind im Rahmen dieses Prozesses nicht anzutreffen.

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Die Bedeutung der Schaffung von Rahmenbedingungen zur Förderung der sozialen Struktur innerhalb einer Gruppe steigt, je länger die Gruppe zusammenarbeiten muss. Da die Anwender, wie bereits erläutert, nicht zwangsläufig Projektmitglieder sein müssen und zum Teil auch nur in einem kurzen Zeitraum an der Erstellung des Anforderungskatalogs mitarbeiten, haben auf diesen Prozess vor allem diejenigen Rahmenbedingungen Einfluss, die entweder kurzfristig geschaffen werden können oder auch außerhalb des Prozesses Gültigkeit haben. Hierzu gehören beispielsweise die Kommunikationsrichtlinien, insbesondere dann, wenn sie organisationsweit gültig sind, und Informationen oder Schulungen über die anzuwendenden Methoden und Techniken, deren Einsatz eine Voraussetzung für eine erfolgreiche Durchführung des Prozesses darstellen.

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Die Existenz und Qualität eines Informations- und Kommunikationssystems hat auf die Kollaboration im Prozess keinen hohen Einfluss, da die gezielte Bereitstellung von Informationen erst im weiteren Projektverlauf an Bedeutung gewinnt, wenn der Anwender Rückmeldung über die Berücksichtigung seiner Anforderung bei und über seinen Beitrag zu der Entwicklung des Systems erhalten möchte, beziehungsweise ein regelmäßiger Informationsaustausch für die Verabschiedung von Meilensteinen notwendig wird.

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Die Organisationsstruktur kann dann Auswirkungen auf den Verlauf der Kollaboration in den Prozessen haben, wenn der Mitarbeiter in seiner Organisationseinheit in einer anderen Organisationsstruktur arbeitet als im Prozess selbst. Es ist dann die Frage zu prüfen, ob der Mitarbeiter die Anforderungen an ihn, die sich aus der Organisationsstruktur ergeben, erfüllen kann und ob er in der Lage ist, in dieser Umgebung die Aufgabe zu erfüllen. Beispielsweise kann die freie Äußerung von Meinungen, die Fähigkeit zur Erklärung von Abläufen oder auch die Bereitschaft, ungewohnte Techniken einzusetzen kann von Mitarbeitern, die in hierarchischen Strukturen, die wenig Eigeninitiative zulassen und die Abarbeitung von konkret vorgegebenen Abläufen voraussetzen, weniger erwartet werden als von Mitarbeitern, die weitgehende Freiheiten bei der Durchführung ihrer Aufgaben haben und es gewohnt sind, ihre Aktivitäten selbst zu koordinieren. Informationen von Mitarbeitern beispielsweise im Prozess sind immer unter diesem Aspekt zu beurteilen und von den Analysten entsprechend zu hinterfragen.

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Bei der Überprüfung der Relevanz des Kontextes der Gruppe für die Kollaborationsprozesse muss in einem ersten Schritt geprüft werden, ob die Kollaborationspartner die Merkmale einer Gruppe erfüllen. Gruppenprozesse setzen beispielsweise voraus, dass die Gruppenmitglieder für die Bearbeitung der Aufgabe und das Ergebnis gemeinsam verantwortlich zeichnen. Dies wird in dem Gruppenmerkmal ‚Ganzheitlichkeit' ausgedrückt.
Der Prozess der ‚Erhebung der Anforderungen' ist diesbezüglich ein spezieller Fall. Einige Anwender sind oft nur für einen sehr kurzen Zeitraum am Prozess beteiligt und sind auch keine Projektmitglieder. Sie tragen zum Ergebnis des Prozesses bei, indem ihr Wissen zur Verfügung stellen. Diese Anwender übernehmen jedoch in der Regel keine Verantwortung für die Korrektheit und Vollständigkeit des Anforderungskatalogs. Das Projekt ist in diesem Fall insbesondere auf die Kooperationsbereitschaft dieser Anwender angewiesen. Andererseits sind am Prozess in der Regel auch Anwender beteiligt, die das Projekt aus fachlicher Sicht begleiten und in das Projektteam integriert werden. Auch wenn diese Gruppe während des Prozesses der ‚Erhebung der Anforderungen' noch am Beginn des Gruppenbildungsprozesses steht, ist die Beziehungen innerhalb dieser Gruppe und insbesondere der Gruppe zu den anderen, am Projekt beteiligten Anwendern, hinsichtlich ihres Einflusses auf die Kollaborationsprozesse zu untersuchen.


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