Ein formaler Rahmen zur Beschreibung von Kollaborationssituationen im Softwareentwicklungsprozess  

Einleitend werden die Fragen erörtert

Nutzen der Umgebungsparameter

Die Unternehmensressource Information: Je mehr Informationen zu konkreten Entscheidungsproblemen vorliegen, desto fundierter kann eine Entscheidung getroffen werden. Entscheidungen, die im Zusammenhang mit Kollaborationssituationen stehen, sind beispielsweise Entscheidungen über die Delegation von Aufgabenkomplexen an Gruppen, die diese Aufgaben gemeinsam koordinieren und durchführen müssen. Bei der Übertragung von Aufgaben auf Organisationsteilnehmer muss das Kongruenzprinzip, das heißt die Übereinstimmung von Aufgabe, Kompetenzen und Verantwortung, gewahrt sein. Um dies beurteilen zu können, müssen

vorliegen. Auf Basis dieser Informationen kann dann beispielsweise beurteilt werden, ob die Gruppenmitglieder aufgrund ihrer Kenntnisse zur Koordination und Durchführung der Aufgabe fähig sind, und ob die Gruppenmitglieder in der Lage sind, die mit der Aufgabe verbundene Verantwortung zu übernehmen. Es muss beurteilt werden, ob die Entscheidungsstrukturen und die Kommunikationsstrukturen innerhalb der Gruppe zu der Aufgabe passen. Diese Informationen über die Gruppe und die Gruppenmitglieder können aus den Umgebungsparametern der Kollaboration erhalten werden.

Informationen über Kollaborationssituationen können bei der Vermeidung von Konflikten in Organisationen helfen. Werden mehrere Organisationsteilnehmer gemeinsam mit der Durchführung einer Aufgabe betraut, so können Konflikte aus unterschiedlichsten Gründen auftreten. [Bier98] nennt als mögliche Konfliktursachen wechselseitige Abhängigkeiten zwischen den Organisationsteilnehmern, Informationsasymmetrien, widersprüchliche Ziele und blockierendes Verhalten. Auch unterschiedliche Normen, Werte und Persönlichkeitsmerkmale können Ursachen für Konflikte sein. Zu einem funktionierenden Konfliktmanagement gehören nicht nur sachgemäßes Reagieren und Schlichten im Konfliktfall sondern auch präventive Maßnahmen, um Konflikten vorzubeugen. Um die Entscheidungen für solche Maßnahmen treffen zu können, müssen Informationen über die potenziellen Konfliktursachen vorliegen. Für Konflikte, die in der Zusammenarbeit zwischen mehreren Organisationsteilnehmern auftreten können, können diese Informationen aus den Umgebungsparametern der Kollaborationssituation ermittelt werden.

Informationen über Kollaborationssituationen sind aber nicht nur für übergeordnete Instanzen im Rahmen der Delegation von Aufgaben oder des Konfliktmanagements von Interesse. Auch den Kollaborationspartnern selbst fällt es leichter, die Kollaborationssituation, in der sie sich befinden, zu beurteilen, wenn sie dies anhand formaler Kriterien tun können. [Bier98] fasst die Ursachen für Kooperation und Wettbewerb unter den Begriffen "Streben nach Gewinn und Furcht vor Verlust zusammen". Er führt an, dass kooperatives Verhalten oft nur dann die bessere Verhaltensalternative ist, wenn der Kollaborationspartner sich ebenfalls kooperativ verhält. Hieraus schließt [Bier98], dass es "in diesen Wahlsituationen durchaus sinnvoll ist, darüber nachzudenken, wie sich die andere Partei entscheiden wird". Formale Kriterien geben den Kollaborationspartnern einen Rahmen, welche Faktoren in welchem Umfang das Verhalten des jeweils anderen Kollaborationspartners beeinflussen können und bieten ihm somit Anhaltspunkte zur Bewertung seiner Kollaborationssituation und des zu erwartenden Verlaufs der Kollaboration.

Um über alle entscheidungsrelevanten Informationen zu verfügen, genügt es dabei nicht, nur die Ausprägungen der einzelnen Umgebungsparameter zu kennen. Auch die Abhängigkeiten der Umgebungsparameter untereinander und die gegenseitigen Einflüsse der Umgebungsparameter aufeinander sollten bekannt sein. Kollaborationssituationen sind keine statischen Gebilde. Sie können durch entsprechende Maßnahmen gezielt beeinflusst werden, so dass der oben angeführte Grundsatz der Koordination - das Kongruenzprinzip - erreicht werden kann. Auch die Entscheidung für entsprechende Maßnahmen zur Veränderung der Kollaborationssituation setzt Information über den aktuellen Status sowie Information über das Aussehen des angestrebten Status voraus, die miteinander abgeglichen werden müssen. Diese Informationen können durch eine Analyse der Umgebungsparameter ermittelt werden. Der formale Rahmen der Beschreibung ermöglicht dabei eine Vergleichbarkeit von Kollaborationssituationen.

Eigenschaften der Umgebungsparameter

Eine Kooperation kann auf der Ebene der Organisationen, auf der Ebene der Organisationseinheiten und auf der Ebene der Einzelpersonen stattfinden. In jedem Fall müssen die Aktivitäten, die zur Zielerreichung der Kooperation beitragen, von Einzelpersonen, die in unterschiedlicher Intensität und in unterschiedlichen Strukturen zusammenarbeiten, erbracht werden. Die Umgebungsparameter beschreiben die Situationen, in der sich diese Einzelpersonen, die miteinander kollaborieren, befinden. Die Einschränkung ist zulässig, da Begriffe wie Gruppenhandeln, Gruppengeist oder Gruppenziele individualistisch auflösbar sind [FiWi02; S.584]. Diese Sicht spiegelt sich in den Ausprägungen der Umgebungsparameter wider.

Diese sind allgemeingültig gewählt und enthalten keine Angaben, die es erlauben, zum Zeitpunkt der Anwendung projektspezifische oder geschäftsmodellspezifische Informationen anzugeben.

Grenzen des formalen Beschreibungsrahmens

Die Umgebungsparameter können sich gegenseitig beeinflussen. Beispielsweise können Probleme, die aufgrund mangelhafter Entscheidungsstrukturen oder einer ungünstigen Wahl von Koordinationsinstrumenten entstehen könnten, durch Eigenschaften oder Qualifikationen der Kollaborationspartner oder durch eine besonders vorteilhafte Gruppenstruktur ausgeglichen werden. Offensichtliche Abhängigkeiten sowie operative Auswirkungen von bestimmten Ausprägungen werden in die Beschreibung der Umgebungsparameter aufgenommen. Diese Beschreibung kann jedoch immer nur beispielhaft erfolgen. Die endgültige Einschätzung sowie das Erkennen der Abhängigkeit von weiteren Umgebungsparametern in konkreten Kollaborationssituationen bleiben bei der Beurteilung von Kollaborationssituationen der subjektiven Bewertung des Einzelnen überlassen.

Bei der Definition der Umgebungsparameter ist es nicht das Ziel, einzelne Faktoren im Detail zu bewerten und Verfahren zu entwickeln, wie die Messung der einzelnen Umgebungsparameter exakt erfolgen kann. Die Umgebungsparameter geben vielmehr einen Überblick über die Aspekte, die bei der Gesamtbeurteilung einer Kollaborationssituation relevant sind. Insbesondere den Umgebungsparametern des Kontextes, deren Bewertung auf subjektiven Einschätzungen des Betrachters beruht, kommt dabei die Aufgabe zu, Einflussfaktoren hervorzuheben, die aufgrund der häufig beobachtbaren Tendenz, Kollaboration auf eine technische Ebene zu reduzieren, oft in Vergessenheit geraten [Rama99; S.13]. Die exakte Gewichtung der einzelnen Umgebungsparameter hinsichtlich seines Einflusses auf die Kollaboration ist von Situation zu Situation unterschiedlich und muss vom Einzelnen in der konkreten Situation selbst vorgenommen werden.

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