Abhängigkeiten und operative Auswirkungen | Prozesse |
Der Informationsverarbeitungsprozess
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Die Wahl des Mediums zur Unterstützung einer Kollaborationssituation wird nicht nur von Kommunikationsmodalitäten beeinflusst, sondern auch durch das soziale Umfeld, die individuellen Eigenschaften der Kommunikationspartner und die Art der durchzuführenden Aufgabe. Darüber hinaus hängt die Eignung eines Mediums auch von der Fähigkeit ab, das Verständnis für einen Sachverhalt im Laufe der Zeit verändern zu können, das heißt von der Art der Informationsverarbeitung im Medium [ZmLY90, HeKo07; S.92ff.]. Zur Beschreibung der Kommunikationsdimension einer Kollaborationssituation eignet sich die Media Synchronicity Theorie, da diese nicht die Aufgabe sondern die Art des Kommunikationsprozesses als Ansatzpunkt wählt [Schw01]. [DeVa99] ermittelten bei der Definition ihrer Media Synchronicity Theorie die fünf Eigenschaften Geschwindigkeit des Feedbacks, Symbolvarietät, Parallelität, Änderbarkeit sowie die Wiederverwendbarkeit der Information als die ‚media characteristics', anhand derer die Art der Informationsverarbeitung beschrieben werden kann. |
Die Media Synchronicity Theorie ist die aktuellste Theorie der rationalen Medienwahl. Die Eigenschaften der Media Synchronicity Theorie werden als Dimensionen des Umgebungsparameters ‚Informationsverarbeitungsprozess' übernommen. Die Aufgabentypen, die bei der Anwendung der Theorie eine wesentliche Rolle spielen, finden sich in den Umgebungsparametern des Gruppenkontextes wieder. Weitere Einflüsse, die in alternativen Theorien zur Medienwahl berücksichtigt werden, sind in Umgebungsparametern des Kontextes enthalten.
Die von [DeVa99] gewählten Ausprägungen für die Eigenschaften ‚niedrig', ‚mittel' und ‚hoch' werden zur Beschreibung der ersten drei Dimensionen des Umgebungsparameters Informationsverarbeitungsprozess verwendet. Am Beispiel der Dimension ‚Parallelität' wird aufgezeigt, dass die konkrete Ausprägung, das heißt, die tatsächliche Anzahl der parallelen Kommunikationsprozesse, die beispielsweise mit der Ausprägung ‚hoch' bezeichnet werden, vom eingesetzten Medium abhängen. [DVSM98] nennen für eine Face-to-Face Kommunikation 10 Personen als die maximale Anzahl von Diskussionsteilnehmern, um eine effektive Diskussion zu gewährleisten. Gruppenunterstützungssysteme können aufgrund ihrer Eigenschaft hinsichtlich einer hohen Parallelität eine sehr hohe Anzahl von Teilnehmern gleichzeitig unterstützen. Die maximale Anzahl von Kommunikationsprozessen, die sich bei 10 Diskussionsteilnehmern in einer Face-to-Face Kommunikation ergeben können und dort als ‚hoch' klassifiziert werde muss, fällt bei einem Gruppenunterstützungssystem dementsprechend in die Bewertung ‚niedrig' oder ‚mittel'.
Die ‚Geschwindigkeit des Feedbacks' ist ein Maß dafür, wie gut Feedback über das Medium gegeben werden kann. Dies hängt von der Bidirektionalität des Mediums und der Möglichkeit des Empfängers, den Sender unterbrechen zu können, ab. [HeKo07; S.75] führen an, dass beispielsweise ein zu langsames Feedback darüber, ob und wie ein Empfänger eine Information erhalten hat, zu Missverständnissen führen kann.
Die ‚Symbolvarietät' gibt an, auf wie viele Weisen innerhalb des gleichen Kommunikationsvorgangs Informationen übertragen werden können, das heißt‚ wie viele Symbolsysteme zur Verfügung stehen' [Schw01]. Symbolsysteme sind beispielsweise gedruckter Text, Grafiken, Stimmhöhe, Gestik und Mimik. [HeKo07; S.75] sehen in einer Reduktion der Anzahl paralleler Kommunikationskanäle die Gefahr von Missverständnissen durch das Fehlen von beispielsweise wichtiger Informationen wie Mimik oder Stimmmodulation.
Die ‚Änderbarkeit' von Informationen gibt an, ob die Informationen vom Sender vor der Übertragung über den Kommunikationskanal nochmals bearbeitet werden kann. Die ‚Wiederverwendbarkeit' gibt an, ob die Information vom Empfänger wieder verwendet werden kann. In den letzten beiden Fällen gilt, dass dies in der Regel für eine gesprochene Information nicht möglich ist, während elektronisch verfügbare Texte oder Dokumente sowohl änderbar als auch wieder verwendbar sind. Die Ausprägung dieser letzten beiden Dimensionen wäre korrekterweise ‚möglich' und ‚nicht möglich'. Die Ausprägung ‚möglich' kann jedoch in ‚gut möglich' und ‚möglich' unterteilt werden, so dass auch hier wieder drei Ausprägungen angegeben werden können. Ein gedruckter Text kann beispielsweise noch einmal geändert und noch einmal ausgedruckt werden, oder zur Wiederverwendung abgetippt werden. Die Änderbarkeit beziehungsweise die Wiederverwendbarkeit ist dann zwar gegeben, aber eben nicht so gut, wie im Falle des Einsatzes von elektronischen Medien.
Es existieren Abhängigkeiten zwischen dem Umgebungsparameter 'Informationsverarbeitungsprozess' und den Kommunikationspräferenzen der einzelnen Kollaborationspartnern, der allgemeinen Kommunikationskultur und den im Prozess eingesetzten Methoden, die wiederum in Abhängigkeit zu dem Raum-Zeit-Aspekt der Kommunikation stehen und den tatsächlich eingesetzten Systemen zur Unterstützung des Informationsverarbeitungsprozesses.
Welche Ausprägung für welche Dimension des Informationsverarbeitungsprozesses die optimale Unterstützung für den Kollaborationsprozess darstellt, ist abhängig von der im Prozess durchzuführenden Aufgabe. [DeVa99] haben in den ‚conveyance'-Prozess und den ‚convergance'-Prozess der Informationsverarbeitung unterschieden. Dem ‚conveyance'-Prozess liegt grundsätzlich eine Aufgabe zur Informationsbeschaffung, dem ‚convergance'-Prozess eine Aufgabe zur Informationsverdichtung und Schaffung eines gemeinsamen Verständnisses aller Gruppenmitglieder der zur Verfügung stehenden Information zu Grunde. In Abhängigkeit der aus den zu erfüllenden Aufgaben resultierenden Synchronizität des Informationsverarbeitungsprozesses ergeben sich Anforderungen an die auszuwählenden CSCW-Werkzeuge zur Unterstützung des Kollaborationsprozesses.
Wie bereits im vorhergehenden Abschnitt beschrieben, ergibt sich die optimale Ausprägung der Dimensionen des Umgebungsparameters 'Informationsverarbeitungsprozess' jeweils aus den Merkmalen der im Prozess durchzuführenden Aufgaben. Ob in einer konkreten Kollaborationssituation andere Ausprägungen als die als optimal ermittelten Ausprägungen ebenfalls zum Erfolg der Kollaboration führen, kann nur im Einzelfall entschieden werden. Um dies beurteilen zu können, müssen jeweils die Umgebungsparameter, für die Abhängigkeiten erkannt wurden, analysiert werden. Die Untersuchung des Umgebungsparameters hat für alle Prozesse eine gleichermaßen hohe Relevanz.