Während der Biokonversion und mit der Prozeßführung (Abb. 7) erfolgt die Bildung von sensorisch wünschenswerter und häufig auch der Abbau antinutritiver Komponenten unter schonenden Bedingungen. Die wirtschaftliche Bedeutung und das Volumen biotechnisch erzeugter Lebensmittel in Deutschland sind in Tabelle 7 aufgezeigt.

Abb. 7: Biotechnik in der Lebensmittelherstellung

Die deutsche Lebensmittelwirtschaft beschäftigt ca. 530.000 Personen und erzielte 1996 einen Umsatz von 224 Mrd. DM. Im Vergleich mit anderen Wirtschaftszweige steht sie damit an 3. Stelle des verarbeitenden Gewerbes, noch vor der Chemie [7]. Allerdings sind im Vergleich zu anderen Wirtschaftszweigen in der Agrarwirtschaft und im Lebensmittelgewerbe die Gewinnmargen sehr gering. Aus diesem Grunde und zum Erhalt der Wettbewerbsfähigkeit im globalen Handelsmarkt sind Optimierungen und Rationalisierungen der Produktionsverfahren notwendig.

Biotechnisch erzeugte Lebensmittel*
Produkt
Menge Wert

in Mrd. DM
Brot und Backwaren

Dauerbackwaren

Milchprodukte

Käse

Joghurt

Rohwurst

Bier

Wein

Essig

Sauervergorenes

Gemüse

1.642.900 t
  1. t

1.382.700 t

  1. t
  2. t

106,4 Mill. hl

486,2 Mill. l

  1. t

114.200 t

12,79

3,95

7,88

2,68

3,49

13,66

1,71

0,15

0,16

* Bundesrepublik Deutschland, 1992

Tab. 7: Menge und Umsatz biotechnisch erzeugter Lebensmittel

1.4.1.1 Fermentative Gewinnung von Enzymen und Zusatzstoffen

Enzyme haben um die Jahrhundertwende Eingang in Verarbeitungsprozesse gefunden und ihr Anwendungsspektrum, nicht nur für die Lebensmittelverarbeitung, erweitert sich ständig. Enzyme weisen als Biokatalysatoren eine Reihe von Vorteilen für technische Verfahren auf (Tab. 8).

Enzyme:
Eigenschaften:

hohe Substratspezifität

hohe Umsatzrate

milde Temperaturen

physiologische pH-Werte

biologisch abbaubar

immobilisierbar

Prozeßführung:
schonend

energiesparend

ökonomisch

Tab. 8: Technologische Vorteile von Enzymen

Der globale Markt für industrielle Enzyme - traditionelle und gentechnisch gewonnene Enzyme - belief sich 1994 auf insgesamt 1,8 Mrd. DM (Abb. 8) und wird 1997 ein Volumen von ca. 2,5 - 2,8 Mrd. DM erreichen. Innerhalb von 10 Jahren hat sich der Umsatz mit Enzymen verdreifacht. Europäische Enzymhersteller decken nahezu 70% des Weltbedarfs an industriellen Enzymen ab. Unter diesen nehmen die Enzyme für die Lebensmittelwirtschaft unter Einbeziehung der Stärkeverarbeitung einen Anteil von ca. 50 % ein (Abb. 8). Das größte Marktvolumen wird hierbei für Milchprodukte erreicht. Dies sagt jedoch nichts über die Menge an verwendeten Enzymen aus, sondern es spiegelt nur den hohen Marktanteil von Milchprodukten und die besondere Stellung des Labenzyms für die Käseherstellung wider.

Enzyme stellen als Proteine direkte Genprodukte dar; sie lassen sich einfach durch die Überexpression der entsprechenden Gene mit Hilfe von GVO in hoher Ausbeute gewinnen.

Abb. 8: Marktdaten für industrielle Enzyme

Die aus GVO gewonnenen Enzyme sind Substitute für die bisher aus konventionellen Organismen isolierten Produkte. Die Enzyme aus GVO sind in ihren Strukturen und Aktivitäten jeweils mit den konventionellen identisch; in der Regel ist aber der Reinheitsgrad des Präparats höher. In Zukunft werden jedoch neue, in Hinblick auf die jeweilige Lebensmittelmatrix und das jeweilige Verfahren gentechnisch optimierte Enzyme eingesetzt werden. Durch das gene engineering werden Enzyme - Proteine wie sie in der Natur nicht vorkommen - entwickelt. Durch die gerichtete Mutagenese können gezielt Aminosäuren ausgetauscht und dadurch eine Erhöhung der Temperatur-, Proteolyse- oder pH-Stabilität erreicht werden. Aber auch eine Eingrenzung der Substratspezifität, die Aufhebung der Substrathemmung sind möglich. Da es sich hier um neue Enzyme handelt, werden sie erst nach eingehender Sicherheitsbewertung (Toxizität, Allergenität) den Lebensmittelverarbeitern zur Verfügung gestellt. Bei Enzymen, die Waschmitteln zugesetzt werden, ist die Entwicklung schon weit fortgeschritten. Durch die gentechnische Optimierung der Organismen in ihrer Syntheseleistung für bestimmte Proteinen werden demnächst verstärkt technologisch interessante Enzyme (z.B. Xylanase) angeboten werden, deren Produktion bislang in konventionellen Organismen aus ökonomischen Gründen nicht vorgenommen wurde.

Von zunehmenden Interesse ist die Nutzung von Extremozymen. Diese bakterielle Enzyme entfalten ihre optimale Wirkung in physikalischen Bereichen, die bislang für die Biokatalyse nicht anwendbar waren ( 2- 8 °C; > 100 °C; Drücke bis 250 atm und Salzkonzentrationen bis zu 5 molar). Die traditionelle Fermentation solcher extremophilen Organismen ist nur unter erheblichem technischen Aufwand möglich. Durch den Gentransfer entsprechender Enzyme in konventionelle Mikroorganismen eröffnen sich neue Produktionsmöglichkeiten. Ebenfalls werden demnächst Enzyme mit GV- Pflanzen produziert werden (s. S. 30).

Die Gewinnung von Enzymen in GVO hat große Vorteile: Rohstoffe, Energie und Wasser werden in erheblichem Maße eingespart. Da auch wesentlich weniger Abfälle und Abwässer anfallen, ist das gentechnische Verfahren nicht nur umweltfreundlicher, sondern insgesamt auch kostengünstiger als die Fermentation mit traditionellen Organismen. Kosteneinsparungen von bis zu 90% können sich hierbei ergeben (Abb. 18; S. 30). Auf Grund der ökonomischen und ökologischen Vorteile schätzt die Vereinigung der europäischen Enzymhersteller (AMFEP), daß noch in diesem Jahrhundert mehr als 80% der Enzyme aus GVO geworden werden (Tab. 9). Die wirtschaftliche Bedeutung für Enzymhersteller ist evident und eine Verweigerung der Technik hat gravierende Konkurrenznachteile für die deutschen Produzenten.

Prozent aller Enzyme
Branche 1985 1994 2000
Stärkeverarbeitung 0 95 95
Backwaren 0 20 50
Öle und Fette 0 10 100
Tierfutter

Waschmittel

0

0

30

80

90

95

Tab. 9: Anteil von Enzymen aus gentechnisch veränderten Organismen in einzelnen Anwendungsbereichen

In Tab.10 sind einige Enzyme und deren Einsatzbereiche aufgezeigt. In Backwaren, insbesondere in Weizenbroten und Brötchen verzögern sie das Altbackenwerden und erhalten die Frische; im Mehl hydrolysieren sie den Kleber teilweise und machen ihn "weicher"; in der Käsegewinnung legen sie die Milch "dick" und intensivieren während der Reifung den Käsegeschmack; in der Fleischsoßenherstellung spalten sie Proteine und vermitteln einen intensiveren Fleischgeschmack; in Süßspeisen hydrolysieren sie die Stärke und vermitteln ein besseres Mund- und Kaugefühl; in der Wein- und Fruchtsaftherstellung verbessern sie die Saftausbeute und erhöhen die Aromakomponenten; im Bier reduzieren sie den Kohlenhydratgehalt und erzeugen kalorienarme Biere für Erfrischungsgetränke und für Süßspeisen hydrolysieren sie Maisstärke und isomerisieren Glucose; die süßere Fructose vermittelt den Erzeugnissen den "light"-Charakter.

Gewerbe Enzyme
Bier- und Wein

Stärkever-

arbeitung

Frucht- und

Gemüsesäfte

Back- und

Teigwaren

Fleisch- und

Wurstwaren

Milchprodukte

Amylasen, Glucanasen, Pektinasen, Xylanasen

Amylasen, Glucoamylase, Pullulanasen, Glucose-Isomerase

Pektinasen, Cellulasen, Arabinasen, Glucose-Oxidase

Amylasen, Glucanasen, Xyla-

nasen, Glucosidasen, Prote-

inasen

Proteinasen, Peptidasen, Glucose- Oxidase

Proteinasen ,- Chymosin -,

Lactase, Lipase

Tab. 10: Enzyme in der Lebensmittelverarbeitung

Enzym Anwendungsbereich
-Amylase


-Acetolactat-Decarboxlase

Chymosin

Mikrobielles Lab

ß-Glucanase

-Glucantransferase

Glucose-Isomerase

Glucose-Oxidase

Hemicellulase

Katalase

Lipase

Malto-Amylase

Phytase

Proteasen




Pullulanase

Xylanase

Bäckerei

Brauerei

Stärkeverzuckerung

Brennerei

Brauerei

Molkerei, Käseher-

stellung

Brauerei

Stärkeverzuckerung

Stärkeverzuckerung

Bäckerei, Mehl-, Eiverarbeitung

Feinkost - Mayonnaise

Bäckerei

Feinkost - Mayonnaise

Fett- und Ölverarbeitung

Bäckerei, Konfitüren

Tierernährung, Stärkever-

arbeitung

Bäckerei

Brauerei

Molkerei

Brennerei

Fleisch- Fischverarbeitung

Gemüseverarbeitung

Stärkeverzuckeruung

Brauerei

Bäckerei

Stärkeverarbeitung

Tab. 11: Kommerziell erhältliche Enzyme aus GVO

In Tabelle 12 sind einige Produktionsorganismen für Enzyme aufgeführt. Gegenwärtig sind sicher mehr als 32 unterschiedliche Enzyme aus GVO kommerziell erhältlich (Tab. 11). Über ihren Einsatz in Deutschland liegen kaum Daten vor. Sie werden eingesetzt, aber über den Umfang kann nur spekuliert werden. Lebensmittelverarbeiter geben kaum Auskünfte; sie befürchten eine Diffamierung ihrer Produkte. Im europäischen Ausland dagegen ist die Verwendung dieser Enzyme weitverbreitet und solche verarbeitete Lebensmittel sind auf dem deutschen Markt.

Mit Ausnahme des Labferments, der Chymosinen, für die Käseherstellung und die Phytase für der Tierernährung (s. S. 33) soll auf die einzelnen Enzyme und ihre Anwendungsgebiete nicht näher eingegangen werden.

Produktionsstämme für mikrobielle Enzyme
Produktionsstamm Enzyme
Bakterien

Bacillus amyloliquefaciens

Bacillus licheniformis

Bacillus sp.

Arthobacter sp.

Klebsiella aerogenes

Micrococcus lysodeicticus


-Amylase, neutrale Endopeptidasen (Proteinasen)

-Amylase, Glucoamlyase, ß-Glucanase

Glucose-Isomerase

Glucose-Isomerase

Dextranase, Pullulanase

Katalase

Filamentöse Pilze

Aspergillus niger

Aspergillus oryzae

Canidia lipolytica

Penicillium sp.

Tichoderma reesei

Mucor pusillus; M. michei


-Amylase, Glucoamylase, Glucose-Oxidase, ß-Glucanase,

Xylanase, Pectinase, Pectinesterase, Lactase, Invertase, Lipase

-Amylase, Glucoamylase, ß-Glucanase, Glucosidasen, Hemi-

cellulasen, Pectinase, Pectinesterase, Lactase

Lipase

Glucose-Oxidase, Dextranase

Cellulase, Hemicullase, Xylanase, ß-Glucanase, Pectinase

Saure Protease (Proteinase, "Labersatzstoff"), Lipase, Esterase

Hefen

Saccharomyces cerevisiae

S. carlsbergensis

Kluyveromyces lactis

K. fragilis


Invertase, Galactosidase

Invertase

Lactase, Chymosin

Lactase, Inulinase, Invertase

Tab. 12: Auswahl von Produktionsstämmen für mikrobielle Enzyme

In der Milchverarbeitung ist das aus GVO fermentativ gewonnene Labferment "Chymosin" das bekannteste. Das Labferment wird klassisch aus dem Labmagen von Kälbern oder aus traditionellen Mikroorganismen als Labersatzstoff isoliert. Das Labferment dient bei der Käseherstellung zur Dicklegung der Milch. In der Milch liegt das Casein kolloidal gelöst als Micellen vor. Das Kälberlabferment spaltet ganz spezifisch im -Casein die Peptidbindung 105-106 zwischen den Aminosäuren Phenylalanin und Methionin. Durch diese Hydrolyse wird das hydrophile Glycomakropeptid abgespalten und das -Casein fällt aus. Die proteolytische Abspaltung des hydrophilen Peptids ist der Primärschritt des Koagulationsprozesses des Caseins. Labenzyme (Labersatzstoffe) aus Mikroorganismen besitzen nicht die hohe Spezifität des Kälberlabfermentes. Diese Enzymen spalten auch andere Peptidbindungen. Dies führt zu Caseinverlusten während der Dicklegung und reduziert damit die Käseausbeute. Zusätzlich können während der Käsereifung Bitterpeptide entstehen und diese können Geschmacksveränderungen herbeiführen. In Tabelle 13 sind einige Labenzyme aufgelistet, jedoch beschränkt sich die Anwendung nur auf sehr wenige Enzyme. Die Nachteile von Labersatzstoffen und der zunehmende Mangel an Kälberlab veranlaßte mehrere Unternehmen zur Klonierung des Gens in Mikroorganismen und zur fermentative Gewinnung des Enzyms [8]. Hiermit wurde man unabhängig von der Sammlung der Kälbermägen in Schlachthäusern.

Staatlich überprüfte und als sicher bewertete Handelsprodukte aus dem Darmbakterium Escherichia coli (Chy-Max), der Hefe Kluyveromyces lactis (Maxiren) oder dem filamentösen Pilz Aspergillus niger var. awamori (Chymogen) sind am Markt und dürfen in vielen außereuropäischen und europäischen Ländern (Ausnahme Frankreich und Österreich; in Deutschland seit März 1997, Allgemeinverfügung nach § 47a des LMBG [9]) verwendet werden. In den USA werden bereits mehr als 70 % der Käse mit Lab aus GVO hergestellt; der Rest mit mikrobiellen Labfermenten. Hier wird das Labenzym aus Kälbermagen fast nicht mehr eingesetzt. Das gentechnisch gewonnene Labferment ist ein naturidentisches Produkt. Es unterscheidet sich nicht in der Proteinstruktur oder in der Aktivität von dem jeweiligen Isoenzym aus dem Labmagen. Der Hauptunterschied zwischen den Labfermentpräparaten liegt im Gehalt an aktivem Enzym. Kälbermagenpräparate enthalten durchschnittlich 4 - 8 % an Labferment, den Rest stellen "Verunreinigungen" (Proteine und Inhaltsstoffe) aus dem Magen dar, falls sie nicht speziell in aufwendigen Verfahren aufgereinigt worden sind. Präparate aus GVO enthalten dagegen 70-80 % aktives Enzymprotein. Verunreinigungen sind hier vorwiegend Salze; nur ein geringer Anteil besteht aus Fremdproteinen.

Labenzyme - Chymosine
Herkunft aus:
im Einsatz nicht im Einsatz
Tieren

Kälberlabenzym

Mischungen mit

Rinderpepsin



Mikroorganismen

Mucor michei

Mucor pusillus

Endothia parasitica

Aspergillus sp.

Pflanzen


GVO

Escherichia coli

Kluyveromyces lactis

Aspergillus niger

var. awamori


Schaf-Pepsin

Schweine-Pepsin

Kaninchen-Pepsin

Endopeptidasen aus:

Seehund, Sattelrobben,

Thunfisch, Muscheln

Penicillium expansum

Rhodotorula rubra



Galium verum (Labkraut)

Sonnenblumenkernmehl

Cynara cardunculus

Impex lacteus

Tab. 13: Labenzyme

Bei der fermentativen Gewinnung von Produkten aus gentechnisch veränderten Mikroorganismen ergeben sich erhebliche Einsparungen an Primärenergien und bei der Abfallentsorgung. Für die Labenzym-Gewinnung aus Kälbermägen schlägt sich das Sammeln, Tiefkühllagern und Transportieren der Organe in der Ökobilanz negativ nieder. Falls man weltweit die gesamte Käseherstellung nur mit Kälbermägen-Enzympräparaten durchführen wollte, müßten ca. 70 Millionen Kälber geschlachtet, die Mägen gesammelt, tiefgefroren gelagert und zu den Enzymherstellern transportiert werden. Die Umweltbelastung ist evident. Die aufgestellte Berechnung ist jedoch nur theoretisch. Wahrscheinlich werden weniger als 10 Millionen Kälbermägen weltweit für die Labgewinnung gesammelt. Einerseits werden Kälber nicht ausschließlich zur Labgewinnung geschlachtet und andererseits stehen mikrobielle Labfermente zur Verfügung. In Deutschland werden jeweils ca. 50 % Kälberlab und mikrobieller Labersatzstoff für die Dicklegung der Milch verwendet. Mit gentechnisch veränderten Organismen ließe sich der Weltbedarf von ca. 50t Kälberlab-identischem Enzym umweltfreundlich und kostengünstig decken.

Tab. 14: Einsatzmöglichkeiten von Enzymen zur Lyse von Mikroorganismen.

Enzyme können nicht nur zur Verarbeitung von Rohstoffen eingesetzt werden, sondern auch als spezifische biologische Agenzien gegen Schadmikroorganismen in Lebensmitteln. Hier wird der spezielle Zellwandaufbau von Mikroorganismen ausgenützt, indem durch Enzyme durch die Hydrolyse Zellwandkomponenten die Lyse der Organismen herbeigeführt wird. In Tabelle 14 sind einige Einsatzmöglichkeiten aufgezeigt. Lysozym wird z.B. zur Verhinderung der "Spätblähung" bei Käse verwendet. Als biologisches Konservierungsmittel werden Enzyme aus GVO nicht eingesetzt.

Zusatzstoffe

Zusatzstoffe werden in der Lebensmittelverarbeitung als Geschmacksverstärker, Süßstoffe, Aminosäuren, Vitamine, Aromen, Farbstoffe, Konservierungs-, Verdickungsmittel und Emulgatoren eingesetzt. Klassische Verfahren sollen durch die Verwendung von GVO effektiver und rentabel gestaltet werden. Da die meisten Zusatzstoffe nicht, wie Enzyme direkte Genprodukte, sondern Endprodukte komplexer Stoffwechselwege darstellen, ist die Optimierung der Organismen schwieriger als bei der Enzymsynthese. Hier müssen bestimmte Stoffwechselwege blockiert oder aktiviert werden, indem Schlüsselenzyme im Biosyntheseweg beeinflußt werden. Beispielhaft sind Wege des "metabolic engineering" für die Gewinnung von Diacetyl in Lactococcus lactis [10]in Abbildung 9 aufgezeigt.

Abb. 9: Strategien zu Gewinnung von Diacetyl in Lactococcus lactis


Strategie 1

Inaktivierung der Lactatdehydrogenase durch Wachstum in Lactose-limitiertem Medium durch niedrige NADH-Konzentration in der Zelle oder durch Mutation bzw. "genetic engineering".

Strategie 2

Inaktivierung der Pyruvat-Formiat-Lyase durch Belüftung des Mediums oder niedrigen pH-Wert.

Strategie 3

Inaktivierung der -Acetolactat-Dehydrogenase durch Mutation bzw. "genetic engineering".

Strategie 4

Inaktivierung der Diacetylreduktase durch Mutation bzw. "genetic engineering" oder durch Inhibierung mit Acetoin.

Strategie 5

Überproduktion der -Acetolactat-Synthase durch "genetic engineering".

Die fermentative Gewinnung von Zusatzstoffen mit GVO hat gegenwärtig nur bei wenigen Produkten bereits eine wirtschaftliche Bedeutung. Mit Hilfe der Gentechnik ist es z.B. gelungen, die Synthese von Vitamin C ausgehend von Glucose mit einem einzigen Mikroorganismus zu bewerkstelligen. Hierdurch konnten vier chemische Prozeßstufen der konventionellen Vitamin C Produktion ersetzt werden. Die Synthese von Vanillin und des pflanzlichen proteinogenen Süßstoffs Thaumatin (1000 mal süßer als Zucker) mit GVO sind möglich. Weit fortgeschritten sind gentechnische Modifizierungen von Mikroorganismen zur optimierten Aminosäurensynthese. Möglicherweise werden in den USA die auf gentechnischem Wege produzierte Aminosäure Phenylalanin zur Synthese des Süßstoffes Aspartam eingesetzt und in Japan Glutaminsäure als Geschmacksverstärker mit GVO gewonnen. In Tabelle 14 sind aus GVO fermentativ gewonnene Produkte aufgelistet. Die Herstellung von organischen Säuren wie Citronensäure, Äpfelsäure, Milchsäure und Essig mit Hilfe von GVO ist nicht gänzlich auszuschließen. Wahrscheinlicher ist es aber, daß diese Säuren mit klassisch optimierten Produktionsstämmen gewonnen werden.

Fermentativ gewonnene Produkte
Arginin

Glutaminsäure

Isoleucin

Lysin

Phenylalanin

Tryptophan

ß-Carotin

Iso-Ascorbinsäure

Vitamin B2

Vitamin B6

Diacetyl

Guanylsäure

Inosinsäure

Fettsäuren

Thaumatin

Natamycin

Nisin

Tab. 14. Erzeugnisse aus GVO

1.4.1.2 Mikroorganismen als Starter- und Schutzkulturen

Mikroorganismen dienen traditionell der Veredelung von Lebensmitteln [5, 13] und ihre Verwendungsmöglichkeiten sind vielfältig (Tab.15). Ziele für gentechnische Veränderungen von Starterkulturen sind in Tabelle 16 aufgelistet.

Starterkulturen:

Einsatz zur gezielten Veränderung in der chemischen Zusammensetzung und in den sensorischen Eigenschaften von fermentierten Lebensmitteln.

Schutzkulturen:

Einsatz zur Hemmung des Wachstums von Lebensmittelpathogenen und anderen unerwünschten Keimen.

Indikatorkulturen:

Einsatz zur Erkennung von "Mißhand-lungen" des Lebensmittels.

mod nach Hammes, 1994

Tab. 15: Verwendungsmöglichkeiten von Mikroorganismen.

Modifizierungen von Starterkulturen
Optimierung von Produkteigenschaften

Veränderungen in proteolytischen Prozessen

Erhöhung der Aromastoffbildung

Synthese neuer Aromastoffe

Bildung extrazellulärer Polysaccharide

Hemmung der Säuerung

Ernährungsphysiologische Aufwertung

Nutzung probiotischer Effekte: Anticancero- gene Wirkung, Cholesterin-Senkung

Stabilisierung der Darmflora

Reduktion der Bildung biogener Amine

Erhöhung der Synthese von Vitaminen

Erhöhung der Synthese essentieller Amino- säuren

Sicherung des hygienischen Status

Bildung von Bakterozinen

Optimierung der Produktionstechnik

Prozeßsicherheit: Phagenresistenz; Stabilisierung metabolischer Eigenschaften

Prozeßzeitverkürzungen: Steuerung der Proteolyse, Unterdrückung der Synthese unerwünschter Geschmacksstoffe

Effizienzverbesserung: Freisetzung von Enzymen, Metaboliten, bei niederer Temperatur

mod. nach Scherer, 1996 [12]

Tab. 16: Ziele für gentechnische Veränderungen von Starterkulturen

Milchsäurebakterien, Hefen und Schimmelpilze besitzen eine große Bedeutung als Starterkulturen. GVO sind für alle drei Mikroorganismengruppen entwickelt und in der Laborpraxis erprobt worden, aber gegenwärtig sind noch keine gentechnisch veränderten Mikroorganismen für die Lebensmittelproduktion auf dem Markt. In Tabelle 17 sind wichtige Spezies von Fermentationsorganismen zusammengestellt.

Für die fermentative Verarbeitung von Milch zu Joghurt, Kefir, Dickmilch und Käse haben gentechnische Veränderungen an Milchsäurebakterien großes Interesse gefunden. Hohe wirtschaftliche Verluste treten immer wieder durch Phageninfektionen bei Fermentationen auf; sie machen den Hauptteil aller Prozeßstörungen aus. Der Phagenbefall kann durch eine gentechnische stabile Integration des natürlich vorkommenden, aber plasmidcodierten Resistenzgens ins Genom verhindert werden. Die Erbinformationen für weitere günstige Eigenschaften, z.B. Lactose-, Citratverwertung, Diacetyl-, Schleim- und Bacteriocinbildung, befinden sich häufig ebenfalls auf Plasmiden, so daß die entsprechende Gene ins Genom transferiert und ihre Expressionsraten verändert werden können.

In der Fleischwirtschaft werden Starterkulturen vorwiegend für die Rohwurstreifung eingesetzt.

Erste GVO wurden entwickelt. Gene für die Bildung von Proteinasen, Lipasen, Katalasen, Nitratreduktasen und Aromastoffen wurden in die Organismen eingeführt oder Gene für die Synthese von Mycotoxinen und Antibiotika eliminiert.

Der Einsatz gentechnisch veränderter Hefen ist in Großbritannien für das Back- und Braugewerbe zugelassen. Für die Backindustrie wurde eine Hefe entwickelt, die bei der Teigführung kontinuierlich CO2 entwickelt und dadurch die Gehzeit verkürzt. Bei dieser Hefe kommt es nicht mehr zu der sonst üblichen Verzögerung der CO2-Produktion nach Verbrauch der Glucose im Teig. Durch die gentechnische Veränderung wird die Repression von maltoseabbauenden Enzymen in Gegenwart von Glucose aufgehoben. Einige weitere Beispiele für gentechnische Modifizierungen bei Hefen sind in Tab. 3 aufgezeigt.

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