Wirnt von Grafenberg: Wigalois - Zusammenfassung

entnommen aus:
Bräuer, Rolf: Dichtung des europäischen Mittelalters. Ein Führer durch die erzählende Literatur, S. 348ff.

Im Prolog wendet sich Wirnt mit der Bitte an sein Publikum, seine Lehren richtig zu verstehen; er bekennt sich zu den höfischen Tugenden êre (gesellschaftliches Ansehen), triuwe (Treue, Gefolgschaftstreue) und Gottesdemut (V. 1-144).

Ein unbekannter Ritter bietet der Königin Ginover am Artushof einen Gürtel an, den er am nächsten Tag wiedererobern wolle. Keie, Didones, Segremors und andere Ritter bemühen sich, den Fremden zu besiegen, doch dieser bezwingt sogar Gawein und reitet mit ihm heim in sein ebenso paradiesisches wie für Fremde unzugängliches Land. Er schenkt Gawein den kraftspendenden Gürtel und vermählt ihn mit seiner schönen Nichte Florie. Diese erwartet bald darauf ein Kind, aber Gawein ergreift die Sehnsucht nach dem Artushof. Er verläßt mit ihrer Einwilligung heimlich das zauberhafte Land.
In Karidol löst Gaweins Ankunft helle Freude aus, doch er verspürt nunmehr Sehnsucht nach seiner Frau. Er entfernt sich wiederum heimlich und sucht ein ganzes Jahr lang vergeblich den Zugang zu dem kürzlich verlassenen Land; schließlich gibt er auf, fügt sich in seine Situation und kehrt zu Artus zurück (V. 145-1210).

Florie, Gaweins Frau, erzieht ihren inzwischen geborenen Sohn zu einem tapferen Ritter. Als er zwanzig Jahre alt ist, verläßt er seine Mutter, um in der Welt Ehren zu erwerben und seinen Vater kennenzulernen; als Abschiedsgeschenk erhält er von Florie den kraftspendenden Gürtel. Der Jüngling reitet geradewegs zum Artushof nach Karidol und stellt sich dort als Gwi von Galois (Wigalois) vor. Nachdem er eine Tugendprobe bestanden und Artus eine Zeitlang vorbildlich gedient hat, erhält er zur Pfingstzeit die Schwertleite (V. 1211-1660).

Wenig später erscheint am Hof eine Jungfrau, von einem Zwerg begleitet, und bittet im Auftrag ihrer Herrin um Hilfe. Wigalois bewirbt sich darum, dieses Abenteuer wahrnehmen zu dürfen. Wegen seiner Jugend muß er jedoch zuvor das Mädchen von seiner Kampftüchtigkeit überzeugen. Auf ihrem gemeinsamen Weg tötet er im Kampf einen Ritter und befreit eine Frau aus der Gewalt zweier Riesen (V. 1661-2184).

Weiter erkämpft er der Jungfrau ein Hündchen, das eigentlich einem anderen gehört, bevor sie auf ein klagendes Mädchen treffen, dem der Rote Ritter ein wertvolles Pferd und einen Sittich genommen hat, welche sie als Preis für ihre Schönheit erhielt. Auch diesen Gegner bezwingt Wigalois (V. 2185-3264).

Auf ihrem weiteren Weg teilt ihm die Jungfrau, die noch immer von ihrem Zwerg begleitet wird, das Anliegen ihrer Herrin mit, welche seine Hilfe erbat: Der Vater jener Königstochter (namens Larie) wurde einst von dem Heiden Roaz von Glois aus seinem Land Korntin vertrieben, so daß sich die Familie auf ihren Besitz Königsberg zurückziehen mußte. Bedingung für alle Freier Laries sei es deshalb, das Land Korntin zurückzuerobern, was jedoch noch keinem gelungen sei.
Endlich gelangt Wigalois zur Burg Königsberg, wird freundlich empfangen und verfällt sofort der heftigsten Liebe zu Larie (V. 3265-4172).

Von einem gekrönten Tier wird er nach Korntin geführt; vor dem Schloß verwandelt sich das Tier in einen Mann, dem sich Wigalois jedoch nicht zu nähern vermag: Es ist der tote König von Korntin, der dem Helden eröffnet, daß er der Sohn des Gawein sei und darauf hoffe, von ihm erlöst zu werden. Dazu müsse Wigalois ein Ungeheuer töten, das ihn und andere quäle. Eine klagende Frau, die ihren Mann an das Ungeheuer verloren hat, bestärkt den Ritter in seinem Vorhaben. Er findet das Untier, das mit Schuppen übersät ist, einen grünen Bauch, rote Augen und einen großen schwarzen Kopf mit langem Schnabel hat, und kann es mit Mühe überwinden, wobei er jedoch selbst ohnmächtig liegen bleibt (V. 4173-5141).

Ein räuberisches Ehepaar nimmt dem Wehrlosen Waffen, Rüstung und Zaubergürtel ab. Durch die Hilfe jener Frau, deren Mann er aus der Gewalt des Untieres befreite, erhält der Ritter jedoch sein Eigentum zurück und wird gesundgepflegt (V. 5142-6250).

Auf seinem weiteren Weg begegnet Wigalois dem wilden Waldweib Ruel, das ihn kurzerhand verschleppt und fesselt. Erst durch das Geschrei des Pferdes Wigalois', das sie an das Ungeheuer erinnert, erschrickt das Weib und flieht, so daß sich Wigalois befreien kann. Das Land des Roaz von Glois, das Wigalois endlich erreicht, wird durch ein mit Keulen besetztes, mörderisches Wasserrad und durch undurchdringliche Nebelschwaden geschätzt. Mit Gottes Hilfe gelingt es dem Helden, diese Hindernisse zu überwinden. In dem unlöschbaren Feuer verbrennt sein Pferd; nach weiteren Schwierigkeiten gelangt er endlich zur Burg, die von hundertjährigen Rittern bewacht wird. Roaz, der als Heide mit dem Teufel im Bunde steht, erscheint mit einem Gefolge von Damen (da er außer sich selbst und einem Grafen keine Männer auf der Burg duldet). Nach hartem Kampf wird Roaz von Wigalois getötet (V. 6251-7662).

Japhite, Roaz' Frau, stirbt gebrochenen Herzens über dem Leichnam ihres Mannes. Wigalois wird von Graf Adan, dem Untergebenen Roaz', seiner ritterlichen Tugenden wegen vor dem Haß des Gefolges gerettet. Der Leichnam des Toten ist bereits von den Teufeln entführt; diesen Umstand nutzt der Held, um für das Christentum zu werben. Er verpflichtet Graf Adan, das Land zu verwalten, und schickt einen Boten zu Larie. Kurze Zeit später zieht diese mit ihrer Mutter und ihrem Gefolge in die Burg Joraphas im Lande Korntin ein, aus dem sie vor vielen Jahren vertrieben wurde (V. 7663-9054).

Während des Hoffests werden Lehen vergeben, die Hochzeit Laries und Wigalois' sowie die Krönung gefeiert. Die anwesenden Heiden lassen sich taufen. Auch Gawein, Erec, Lanzelet und lwein erscheinen als Abordnung des Königs Artus zum Fest (V. 9055-9798).

Plötzlich läuft ein klagender Knabe herbei, der um Hilfe für seine Königin bittet: Ihr Gemahl sei von Ritter Lion getötet worden. Als Wigalois, Gawein und alle Verbündeten zu einem Rachefeldzug bei Lion ankommen, ist die Königin inzwischen vor Leid gestorben. Gawein tötet Lion, und Wigalois übernimmt die Herrschaft im Land. Nachdem er seine Gattin Larie am Artushof vorgestellt hat, zieht er mit ihr nach Korntin, um dort gemeinsam mit Larie und ihrem Sohn Lifort Gawanides eine gerechte, mildtätige Herrschaft auszuüben (V. 9799-11652).

Im Epilog berichtet der Dichter über die Quelle seiner Geschichte; einer Klage über den allgemeinen moralischen Verfall stellt er Wigalois und Larie als Ideal gegenüber (V. 11653-11708).